Zwischen obrigkeitlicher Willkür und Teilhabe: Bittschriften und Petitionen im 19. Jahrhundert am preußischen Beispiel

Buchpräsentation

1845 notierte die „Illustrirte Zeitung“, dass Frauen aus Berlin in einer Bittschrift den preußischen König baten, den Bau einer neuen Kirche auf dem Petriplatz in Berlin zu verhindern, „weil dadurch für ihre Kinder ein Spielplatz verloren ginge.“

In ähnlicher Form könnte der Kampf um den Erhalt eines Spielplatzes auch heute passieren, nur dass es eine Online-Petition wäre, mit der versucht würde auf politische Entscheidende einzuwirken. Das Beispiel von 1845 zeigt nur einen der vielfältigen Beweggründe, mit denen sich im 19. Jahrhundert Menschen an hochgestellte Personen oder Institutionen wendeten – in der Hoffnung, dass ihr Problem von diesen gelöst oder gemildert werden könne. Die Bandbreite der Bitten war sehr vielfältig, von finanzieller Unterstützung über Stellengesuche hin zu konkreten politischen Forderungen.

Der von Marion Dotter und Ulrike Marlow herausgegebene Tagungsband versammelt Beiträge aus der jüngsten Forschung zu Bittschriften im 19. Jahrhundert mit einem Schwerpunkt auf der Habsburgermonarchie und Preußen. Die Textgattung der Bittschrift, die sich im Vormärz stilistisch und inhaltlich von der Petition abgegrenzt hatte, wird als ein traditionelles Symbol obrigkeitlicher Macht und Willkür gezeigt. Bereits seit der Frühen Neuzeit wurden Bittschriften in die zentralstaatliche Verwaltung überführt und boten der Bevölkerung Partizipationsmöglichkeiten im Staat. In der Veranstaltung wird der Band präsentiert und es wird die Bittschriftenpraxis am preußischen Hof vorgestellt. Eine abschließende Diskussion bietet die Möglichkeit zum Austausch.

Eine Veranstaltung des Akademienvorhabens „Anpassungsstrategien der späten mitteleuropäischen Monarchie am preußischen Beispiel, 1786-1918“

PROGRAMM

Grußwort  Ulrike Höroldt (Leiterin des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz)

Beiträge  Ulrike Marlow und Anja Bittner (Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Akademienvorhaben „Anpassungsstrategien der späten mitteleuropäischen Monarchie am preußischen Beispiel, 1786-1918“)

25. April 2024  19:00  Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Konferenzraum 1, Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin


Die Kunstfreiheit und die Künste

Akademievorlesung der Initiative „Akademisierung der Künste“

Die Idee, die Kunstfreiheit ließe der Kunst einen Raum zur freien Entfaltung, ist so einleuchtend wie problematisch. Sie war auf Kunst in geschlossenen Räumen ausgerichtet. Umgekehrt lässt sich fragen, warum in einer liberalen Ordnung Kunst mehr dürfen sollte als anderes, zumal wenn sie Dritte verletzt. Schließlich wandelt sich mit den Künsten auch die Notwendigkeit, ihre Grenzen zu kodifizieren.

Die Idee, die Freiheit der Kunst als eigenes Grundrecht zu verstehen, ist ein Produkt der deutschen Kunstreligion des 19. Jahrhunderts, das sich zuerst in Art. 142 Satz 1 WRV der Weimarer Reichsverfassung auf nationaler Ebene positiviert findet. Wirklich klar ist die Funktion dieser Garantie bis heute nicht, schließlich werden alle möglichen Ausdrucksformen von der Meinungsfreiheit geschützt. Entsprechend leerlaufend ist die Garantie der Kunstfreiheit in der Praxis der Bundesrepublik, wie sich am spärlichen Fallmaterial leicht zeigen lässt. Auch theoretisch erscheint fraglich, warum in einer liberalen Ordnung Kunst mehr dürfen sollte als andere gesellschaftliche Praktiken, noch dazu, wenn dieses Mehr andere Rechte verletzt oder einschränkt. Auch für die Selbstdarstellung künstlerischer Praktiken ergibt sich ein Problem, das schon aus der Religionsfreiheit bekannt ist: Sie ist gezwungen, ihre eigene Harmlosigkeit hervorzuheben, um sich plausibel auf die eigene Freiheit berufen zu können. Zudem scheint die Kunstfreiheit ohnehin nur noch zum Thema zu werden, wenn eine künstlerische Praxis ein politisches Mandat beansprucht. Für dessen Schutz bedarf es aber keines eigenen Kunstgrundrechts. Was dann von diesem bleibt, ist der Schutz einer kunstimmanenten Logik bei staatlichen Entscheidungen zur Kunstförderung. Was aber, wenn ein solcher Schutz einen Eigenstand ästhetischer Kriterien unterstellt, an den die geförderten Künste selbst nicht mehr glauben?

Ein Vortrag von Christoph Möllers (Humboldt-Universität zu Berlin | Akademiemitglied).

Eine Veranstaltung der Initiative „Akademisierung der Künste"

25. April 2024  18:00  Akademiegebäude am Gendarmenmarkt, Einstein-Saal, Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin


Sitzung des Plenums des Zentrums Preußen-Berlin

Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin, Einstein-Saal | 16:30 bis 17:45 Uhr


Von der Seelenkunde zu Ästhetik. Johann Georg Sulzers kunsttheoretisches Werk und seine europäische Rezeption

Öffentlicher Jahresvortrag des Zentrums Preußen Berlin

Prof. Dr. Elisabeth Décultot, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Ort: Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin, Einstein-Saal

Zeit: Mittwoch, 21. Februar 2024 18:00 Uhr